Bei gestörtem Verhältnis und ungleicher Betreuungsverteilung liegt kein Wechselmodell vor

Ein vollständiges Wechselmodell liegt dann vor, wenn die gemeinsamen Kinder wirklich jeweils zur Hälfte beim einen und beim anderen Elternteil leben. Was passiert, wenn diese 50%ige Aufteilung nicht exakt gelebt wird, musste im Folgenden das Berliner Kammergericht (KG) entscheiden.
Das minderjährige Kind dieses Falls wurde von den getrennt lebenden Eltern statt im 50:50-Verhältnis im Wesentlichen zu 55 % durch die Mutter und zu 45 % vom Vater betreut.
Entsprechend verlangte die Mutter für das Kind vom Vater Unterhalt. Dieser wehrte sich dagegen mit dem Argument, dass schließlich ein Wechselmodell vorläge.
Für die Lösung dieser Frage musste das KG erst einmal die Frage beantworten, ob die Mutter das Kind überhaupt im Verfahren vertreten konnte. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge setzt nämlich die Vertretung des Kindes voraus, dass es sich in der Obhut (nur) des Elternteils befindet, der den Kindesunterhalt als Vertreter verlangt. Wenn das Kind aber gleichermaßen bei beiden Elternteilen lebt, fehle es an dieser Voraussetzung. Der Senat ging bei der vorliegenden 55:45-Situation aber davon aus, dass das Kind in einem solchen Umfang bei der Mutter lebt, der diese Vertretung durch sie zulässt. Dann stellte das KG fest, dass die Eltern eine gestörte Kommunikations- und Kooperationsbasis hatten. Und diese gegenseitige Verständigkeit ist eine Grundvoraussetzung für das Wechselmodell. Diese lag den Umständen zufolge hier somit nicht vor. Die Mutter konnte deshalb den Kindesunterhalt geltend machen – und bekam ihn auch zugesprochen.

Hinweis: Bei der Frage, ob ein Wechselmodell vorliegt, ist auch die Qualität der wechselseitigen Betreuung zu bewerten. Es ist deshalb immer auch darauf zu achten, wer die Elternabende, Arztbesuche usw. wahrnimmt und wie es um die Betreuung in besonderen Situationen (Krankheit usw.) bestellt ist.

Quelle: KG, Beschl. v. 15.04.2019 – 13 UF 89/16
Fundstelle: www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de