EuGH zum Thermofenster: Schadensersatz gegenüber dem Hersteller auch bei Fahrlässigkeit

Bei dem sogenannten Thermofenster handelt es sich um eine Technologie, die von einigen Automobilherstellern verwendet wird, um die Abgasemissionen von Dieselfahrzeugen zu reduzieren, indem die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen ausgeschaltet wird.

Anders als bei den Abschalteinrichtungen der EA-189-Motoren, die mit einer Prüfstandserkennung arbeiteten und bei denen der Bundesgerichtshof eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung mit der Folge sah, dass Käufern eines solchen Fahrzeugs aus § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch zusteht, hielt der BGH bei der Verwendung der so genannten Thermofenster bisher eine vorsätzliche Schädigung nicht für nachweisbar. Ein Schadenersatzanspruch scheide daher, so der BGH (u.a. Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20) schon deswegen aus, weil die EU-Regeln, die solche Thermofenster verbieten, keine drittschützende Wirkung entfalten – und deswegen auch kein Anspruch aus § 823 i.V.m. der entsprechenden EG-Verordnung bestehe.

Der EuGH (Az. C-100/21) sieht das anders. Er meint, dass jeder Käufer eines Pkw schon mit der EU-Übereinstimmungsbescheinigung, die er beim Kauf erhält, sozusagen die Zusicherung bekommt, dass das Fahrzeug rechtskonform hergestellt wurde, weswegen sich auch bei Fahrlässigkeit der Hersteller bei der Entwicklung solcher Thermofenster ein Schadensersatzanspruch für den Käufer herleiten ließe.

Beim BGH sind noch ca. 1.900 Verfahren anhängig, auf die diese Rechtsauffassung des EuGH Auswirkungen haben könnte.