Notstand – Wann darf zu schnell gefahren werden ?

In bestimmte Fällen ist die Überschreitung einer Geschwindigkeitsbeschränkung nicht verboten. Es handelt sich dabei um einen sog. rechtfertigenden Notstand gemäß § 16 OWiG. Hierfür muss eine unabwendbare Gefahr für Leib und Leben vorliegen. Ob dies der Fall ist, entscheidet im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid das Gericht. Hier teilen wir ein paar interessante Urteile dazu mit.

 

Durchfall auf der Autobahn

Wenn die Autobahn einen Seitenstreifen besitzt, müssen Autofahrer dort anhalten, um ihre Notdurft direkt hinter ihrem Fahrzeug zu verrichten entschied das Oberlandesgericht Zweibrücken. (Aktenzeichen: 1 Ss 291/96, Dezember 1996.)

Durchfall ist keine Ausrede, wenn der Fahrer vor Fahrtantritt weiß, dass er an einer Durchfallerkrankung leidet. Der während der Fahrt auftretende Druck im Darmbereich rechtfertigt keine Geschwindigkeitsüberschreitung. So entschied das Amtsgericht Lüdinghausen (Aktenzeichen: 19 OWi-89 Js 155/14-21/14, Februar 2014). Autofahrer in solch einer Situation dürften demnach gar nicht erst losfahren oder sie müssen den Fahrweg so planen, dass sie stets anhalten könnten.

 

Schwangere hat Wehen

Da für Schwangere in den Wehen in der Regel keine Gefahr für Leib und Leben besteht, liegt auch kein rechtfertigender Notstand laut § 16 OWiG vor. Fahren werdende Eltern oder nur die Väter zu schnell ins Krankenhaus, müssen sie die Konsequenzen der Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf nehmen (Oberlandesgericht Hamm, Aktenzeichen: 5 Ss OWi 493/08, August 2008).

 

Haustier muß dringend zum Arzt

Ein Wellensittich im Koma rechtfertigt, nach einer Entscheidung des Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 2 Ss OWi 97/90, April 1990) keine Geschwindigkeitsüberschreitung. In diesem Fall lehnte das OLG eine Anwendung des Notstandsparagraph (§ 16 OWiG) ab.

Die Sicherheit im Straßenverkehr steht über der Gesundheit des Tieres, so die Ansicht. Es besteht aber die Möglichkeit, die Strafe zu reduzieren (Amtsgericht Koblenz, Aktenzeichen: 2010 Js 43957/12.34 OWi, April 2013).

 

S. Patrick Rümmler

Fachanwalt für Verkehrsrecht